Abschlussbericht Umweltpädagogisches Planungslabor

 4. Das umweltpädagogische Planungslabor: Elemente, Erfahrungen, Empfehlungen

Pro Lutter hat mit dem umweltpädagogischen Planungslabor im Rahmen der Gewässerfreilegung versucht, einen neuen, innovativen Weg der Planungsbegleitung mit Schülern zu gehen. An dieser Stelle werden die wesentlichen Elemente dieses Instrumentariums erläutert und Schlussfolgerungen gezogen:

4.1 Elemente

4.1.1 Schulübergreifende Zusammenarbeit

Beteiligt waren unterschiedliche Schultypen: 4 Gymnasien, darunter eine Ganztagsschule sowie ein Berufskolleg. Damit nahmen, gerade was die Gymnasien betrifft, solche Schulen eine Kooperation miteinander auf, die sonst häufig in Konkurrenz (z.B. um Schüleranmeldungen oder Ressourcen zur Gebäudewirtschaft) zueinander stehen. Die Zusammenarbeit war, was Schüler und Lehrer angeht, ausgesprochen eng und wird, z.B. über den Austausch von Materialien und Ausstellungen, aber auch durch die weitere Begleitung des Revitalisierungsprojektes fortgesetzt.

Herauszuheben ist schließlich die gemeinsame Arbeit von Berufs- und gymnasialen Schülern, da hier die Kontakte und das Wissen über den jeweils anderen Schultyp in aller Regel gering sind. So stach im Projekt die hohe praktische Kompetenz der Berufsschüler z.B. in Analyseund Laborarbeit hervor und fand Anerkennung. Das umweltpädagogische Planungslabor hat dazu beitragen können, gegenseitige Vorurteile abzubauen.

4.1.2 Freiwilligkeit der Mitwirkung

Allen interessierten Schülern wurde die Mitarbeit im Planungslabor anheim gestellt. Dies galt sowohl für ihre grundsätzliche Bereitschaft, als auch für das Thema der Mitwirkung. Über das Open-Space-Verfahren war es gelungen, hier die Motivation der einzelnen Schüler für bestimmte Themenfelder zu stärken.

Als Anreiz wurde allen teilnehmenden Schülern eine Urkunde und ein Hinweis auf dem Zeugnis zugesagt.

Ob die Freiwilligkeit der Projektteilnahme tatsächlich zu einer arbeitsfähigen Struktur und befriedigenden Ergebnissen führen könnte, wurde lange vor Beginn des Planungslabors sowohl intern bei Pro Lutter als auch mit den betreuenden Lehrern diskutiert. Für den Antragsteller bedeutete dies ein nicht unerhebliches Risiko gegenüber dem Zuwendungsgeber, jedenfalls für den Fall, dass das Projekt scheitern würde. Für die pädagogischen Kräfte war darüber hinaus deutlich, dass eine freiwillige Mitarbeit der Schüler Sanktionsmechanismen ausschließen würde. - Andererseits wäre bei der Anzahl der mitwirkenden Schulen eine Mitarbeit am Planungslabor als schulische Pflichtveranstaltung kaum organisatorisch zu bewältigen gewesen. Den Ausschlag zugunsten einer freiwilligen Mitwirkung gab allerdings schließlich das Argument, dass nur über diesen Weg eine hohe Motivation der Schüler zu erreichen war. Dies hat sich im Projektverlauf auch zunehmend bestätigt.

4.1.3 Praxisorientierung

Das Bielefelder Projekt hatte von vorne herein das Ziel, auch in die Praxis umgesetzt, also „gebaut“ zu werden. Dieser Umstand führte dazu, dass die Arbeit im Planungslabor „geerdet“ wurde. Es ging um realisierungsfähige Ideen und Konzepte. Dies zeigt das Beispiel der AG Bauen und Gestalten. Sie führte Abstimmungsgespräche sowohl mit der Stadtverwaltung zur Umsetzbarkeit eines Wasserspielplatzes als auch mit dem Eigentümer der Hammer Mühle zur künftigen Lage des Gewässers auf dessen Grundstück durch. Dabei war Überzeugungsarbeit notwenig, aber auch die Bereitschaft zu Kompromissen mit anderen Interessen (z.B. Unterhaltungskosten).

 
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Abb. 22 u. 23: Ortstermin der AG Bauen und Gestalten mit dem Eigentümer der Hammer Mühle

Schließlich war das Projekt geeignet, um eigene Interessen der Schüler bzw. der angrenzenden Schulen einzuplanen. So findet sich im Konzept zur Realisierung ein Gewässerabschnitt für Schuluntersuchungen. Diskutiert wurde auch die weitere Begleitung des Offenlegungsprojektes durch ein biologisches / gewässerökologisches Monitoring.

4.1.4 Zusammenarbeit mit Fachleuten

Die Arbeit im umweltpädagogischen Planungslabor wurde in wesentlichen Teilen durch Fachleute begleitet. Dies waren z.B.

  • Wasserbauingenieure
  • Landschaftsplaner,
  • Landschaftsarchitekten,
  • Biologen,
  • Umwelthistoriker,
  • Stadtbedienstete.

Im Wettbewerbsverfahren kamen weitere Berufsgruppen, z.B. Journalisten hinzu.

So wurde die Möglichkeit eröffnet, zahlreiche Berufsgruppen, deren Ausbildungswege und Schwerpunkte näher kennenzulernen bzw. Überlegungen anzustellen, welchen Bezug sie zum Thema Umwelt besitzen (Unternehmer, Journalisten, Verwaltungsleute, Politiker). Das Planungslabor war damit auch ein Anreiz für die Schüler, eigene Überlegungen anzustellen, inwieweit bestimmte (Umwelt-) Berufe ihr Interesse für den eigenen Lebensweg hervorrufen.

Im Rahmen es Projektes kam schließlich der Kontakt zur Fachhochschule Minden zustande. Und es wurde die Idee entwickelt, Schülerworkshops anzubieten, die für die dort angebotenen Umweltstudiengänge hinweisen.

4.1.5 Fließgewässer als beispielhaftes Umweltmedium

Der interdisziplinäre Charakter des Planungslabors wurde unterstützt durch die fachlichen Projektgrundlagen. Es handelte sich um die Revitalisierung eines Fließgewässers. Dies erwies sich als ein ideales Umweltmedium, um aufzuzeigen, dass ökologische Prozesse auf einem Beziehungsgeflecht fußen. So ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen

  • Grundwasser und Oberflächenwasser,
  • Boden und Gewässer,
  • Bioklima und Bachaue,

bestens vermittelbar.

4.1.6 Urbanes Gewässer als Querschnittsaufgabe

Am Beispiel eines urbanen Fließgewässers lassen sich nicht nur ökologische Zusammenhänge aufzeigen, sondern auch die vielfältigen Auswirkungen der Freilegung auf andere kommunale Aufgaben bearbeiten. So steht die Revitalisierung der Lutter in Beziehung

  • zur Stadtgeschichte,
  • zum Stadtmarketing,
  • zur Stadtgestaltung,
  • zur Freiraumnutzung (Spielen / Erholen),
  • etc.

Damit konnte im Planungslabor auf ideale Weise die Querschnittsorientierung dieses zunächst ökologischen Projektes betont werden.

4.2 Schlussfolgerungen, Empfehlungen

Nach dem im Ganzen positiven Verlauf des Projektes stellt sich abschließend die Frage nach der Übertragbarkeit. Dies kann aus Sicht der Beteiligten uneingeschränkt bejaht werden. Es sollten dabei folgende Empfehlungen berücksichtigt werden:

  1. Das Projekt war auf eine Dauer von 9 Monaten angelegt. Dies bedeutete, dass die Schüler - neben ihren weiteren, zum Teil sehr umfangreichen schulischen Verpflichtungen - in sehr gedrängter Zeit ihre AG-Ergebnisse produzieren mussten. Gerade für das intensive Kennenlernen der tangierten Berufsfelder hätte man sich mehr Zeit gewünscht. So war auch der Besuch des Ingenieurbüros für Wasserwirtschaft in Minden geplant, musste jedoch aus Zeitgründen entfallen. Es war allgemeiner Konsens in der Schlussphase, dass ein umweltpädagogisches Planungslabor mit diesem Anspruch auf ein ganzes Schuljahr angelegt sein sollte.

  2. Das Projekt enthielt das Element eines Wettbewerbs zwischen den AG’s, der in einen Jurytermin mündete. Da die Gruppen jedoch an inhaltlich sehr unterschiedlichen Fragestellungen arbeiteten, wurde immer wieder die Frage gestellt, wie überhaupt die Zwischenergebnisse bewertet oder gar „prämiert“, d.h. in eine Rangfolge gestellt werden konnten. Aus den genannten Gründen hat die Jury auf eine Rangfolge verzichtet. Dennoch hatte der Wettbewerb zwischen den Gruppen durchaus Vorteile, weil er - gerade in der Anfangsphase - Anreize schaffte, zu Ergebnissen zu kommen und weil er den Gruppen ein erstes, konstruktives Feedback „von außen“ ermöglichte“. Sinn und Zweck eines solchen Wettbewerbes sollte in Folgeprojekten also immer vorab ausführlich erörtert werden.

  3. Ein umweltpädagogisches Planungslabor sollte auf die freiwillige Mitarbeit von Schülern setzen. Wenn auch auf den ersten Blick hier die Möglichkeit des Scheiterns wahrscheinlicher sein könnte, so ist die höhere Motivation in einer solchen, von den Schülern selbst gewollten Mitarbeit nicht zu unterschätzen.

  4. Die mitwirkenden Schüler gehörten der Jahrgangsstufe 9 / 10 an. Für das hoch komplexe Geflecht einer Gewässerrevitalisierung waren hier die Anforderungen relativ hoch, nicht zuletzt was biologische Vorkenntnisse anbetraf, sodass in der Rückschau diskutiert wurde, „ ob die Schüler nicht besser ein bis zwei Jahre hätten älter sein sollen“. Hieraus lässt sich die Empfehlung ableiten, vor Projektbeginn im Detail die fachlichen Anforderungen in einem Planungslabor durchzusprechen, um dann die Entscheidung zu fällen, für welche Jahrgangsstufe das Projekt angeboten werden soll.

  5. Bei den mitwirkenden Schulen handelte es sich um 4 Gymnasien und ein Berufskolleg. Eine ebenfalls angestrebte Mitarbeit der Bielefelder Waldorfschule kam leider nicht zustande. Die Arbeitsfähigkeit im Projekt war problemlos gegeben. Allerdings könnte man sich für Folgeprojekte eine „ausgewogenere schulische Mischung“ (z.B. 2 Gymnasien und 2 Berufskollegs) vorstellen.

  6. Das hier beschriebene umweltpädagogische Planungslabor erforderte eine enorme Einsatzbereitschaft der betreuenden Lehrkräfte. Sie war gegen, ist aber - bei der hohen sonstigen Belastung in den Schulen - in keiner Weise selbstverständlich. Ein künftiges Projekt dieser Art muss sich im Vorfeld - auch über die Schulleitungen - dieses Engagements versichern.

  7. Zu den Hauptzielen des Projektes gehörte es, Umweltberufe (Biologie, Wasserwirtschaft, Landschafts- und Grünplanung) kennenzulernen. Dies war nur möglich, indem die beauftragten Büros, aber auch die Stadtverwaltung Mitarbeiter zur Verfügung stellten, die über entsprechende Vermittlungsfähigkeiten verfügten. Auch hierauf sollte in einem Folgeprojekt unbedingt Wert gelegt werden.

  8. In einem an die Praxis angelehnten Projekt wie der Revitalisierung eines kommunalen Fließgewässers ist die Arbeit ohne aktives Zutun der Stadt oder Gemeinde nicht vorstellbar. Dies reicht von Betretungsmöglichkeiten über die Auskunft zu Gewässerdaten und die Bereitstellung von Karten und Plänen bis hin zu der direkten, z.T. sehr kostenintensiven Zusammenarbeit mit Verwaltungskräften. Deshalb ist unbedingt zu empfehlen, vor Projektbeginn eine entsprechende Vereinbarung mit der Gemeinde abzuschließen. Im Bielefelder Projekt lagen frühzeitig positive Beschlüsse der politischen Gremien vor, und die Stadt verpflichtete sich zu einer angemessenen Personalbereitstellung.

  9. Die mitarbeitenden Schüler des Planungslabors waren gefordert, für ihre Ergebnisse öffentlich „geradezustehen“. Sie trugen sie der Jury, lokalen Pressevertretern, Politikern der Bezirksvertretung und betroffenen Anwohnern und Grundstücksbesitzern vor. Damit konnte die Eigenverantwortlichkeit gestärkt werden, und die Schüler erlernten Präsentations-, Vortrags- und Überzeugungstechniken. Die Stärkung von Eigenverantwortlichkeit erscheint auch bei einer erneuten Entscheidung für ein Planungslabor ein wichtiges Kriterium zu sein.

Pro Lutter e.V.

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